Lokaljournalismus von der Insel
von Antonia Eichenauer
Sommerzeit ist Reisezeit. Doch wie arbeiten eigentlich Lokalredakteure an den Orten, die andere nur als Urlaubsziel im Kopf haben? Wer liest im Sommer dort Zeitung? Wie schafft man es, für Einheimische und Touristen gleichermaßen interessant zu sein? Und wie wichtig ist dabei das Lokale? Über diese Themen sprachen wir mit Ciro Krauthausen, dem Chefredakteur der Mallorca Zeitung.
Die Mallorca Zeitung ist ein Exot. Als einziges deutschsprachiges Heft erscheint sie unter dem Dach von Prensa Iberica, einem großen spanischem Verlag. Im Jahr 2000 gegründet, hat sich die Zeitung längst auf der Insel etabliert. Sie erscheint als Wochenzeitung, berichtet aber auf ihrem Internetauftritt auch über aktuelles Tagesgeschehen. „Es ist immer wieder eine Herausforderung, neben der Wochenzeitung auch den eigenen Qualitätsansprüchen auf der Website gerecht zu werden. Doch es gelingt uns nach unserem eigenen Empfinden ganz gut“, meint Krauthausen.
Konzentration aufs Lokale
Die Mallorca Zeitung kommt ohne den weltpolitischen Mantel aus. Auf rund 80 Seiten konzentriert sie sich ganz auf die lokalen Geschehnisse auf der Insel und dem spanischen Festland. In drei Bereichen versucht sie den Ansprüchen aller Leser gerecht zu werden: Im Newsteil wird die Politik und die Wirtschaft Mallorcas analysiert und auf gesellschaftliche Themen eingegangen. Reportagen, Interviews und Porträts haben im bunteren Teil Platz. Insel und Leute werden an dieser Stelle vorgestellt. Der dritte Teil ist eher serviceorientiert. Hier gibt es Tipps für das Leben und den Besuch auf der Insel. Dabei hilft die Zeitung auch bei Fragen rund um die Behörden weiter.
Mallorquinische Realität und deutsches Bild
Doch wer ist nun die Zielgruppe? Sind es die zahlenmäßig unterlegenen deutschsprachigen Einheimischen, die ganzjährig oder auch nur einen Teil des Jahres auf der Insel verbringen? Oder sind es die gut vier Millionen deutschen Touristen, die jährlich für die Ferien auf die Insel kommen? „Die große Herausforderung ist es, dass wir mit unserer Zeitung beide ansprechen wollen“, sagt Krauthausen. „Wir wollen zwischen dem deutschen Bild von der Insel und der mallorquinischen Realität vermitteln.“
Gerade bei Themen wie der regionalen Politik würden sich die Urlaubsgäste eher langweilen, doch die Einwohner wollten etwas davon mitbekommen. Schließlich müssten sie das ganze Jahr mit den Entwicklungen leben, sagt Krauthausen. Andererseits möchten die Touristen sicherlich gerne die Insel kennen lernen, Tipps bekommen, welcher der schönste Strand ist und welches Restaurant den besten Fisch macht. Das kann schnell uninteressant werden für die, die schon alle Strände und Restaurants selbst ausprobiert haben. „Wir sind immer auf der Suche nach neuen Geschichten“, betont der Chefredakteur, „es ist nicht einfach, die Menschen auf Mallorca zu überraschen. Es ist schon so viel über diese Insel geschrieben worden. Nahezu jeder Stein wurde schon einmal umgedreht.“
Exklusivinterview mit dem Tourismusminister
Aber es scheint nicht so, als würde Krauthausen das abschrecken. Viel eher zieht er mit seiner Redaktion stetig neue interessante Gesprächspartner an Land und bleibt auch mal lange an einem Thema dran. Die Diskussion „Ist es zu viel des Guten?“, die um die sehr hohen Touristenzahlen im Sommer kreist, wird von der Mallorca Zeitung von allen Seiten beleuchtet. In der aktuellen Ausgabe sprachen die Redakteure unter anderem mit dem Tourismusminister Mallorcas, Biel Barceló, der im Interview die Einführung einer Touristensteuer ankündigte. Außerdem berichtete die Zeitung über die harten Arbeitsbedingungen der Zimmermädchen in den großen Hotels und das sinkende Pro-Kopf-Einkommen bei gleichzeitig steigenden Touristenzahlen.
„Man kann grundsätzlich nicht sehr viel Hintergrundwissen voraussetzen, da die Zeitung zu einem großen Teil nicht von Menschen gelesen wird, die auf der Insel geboren sind“, erklärt Krauthausen seine Arbeit. So ist es auch die Aufgabe der Redaktion, den Lesern die Entwicklungen auf der Insel einzuordnen und sie zu erklären. Um guten Journalismus unter diesen besonderen Vorzeichen zu machen, brauche es neben dem guten Handwerkszeug noch „jede Menge Engagement“. Dafür, könnte man an dieser Stelle vielleicht einwerfen, haben es die Reporter auf Mallorca ja auch nach Feierabend nicht weit an die schönen weißen Strände. Das sollte entschädigen.
Hintergrund
Ciro Krauthausen ist Chefredakteur der Mallorca Zeitung. Er ist in Südamerika aufgewachsen und hat seine Ausbildung in Spanien gemacht. Anschließend war er als Auslandskorrespondent für Spanien in Berlin tätig, bevor er dann zur Mallorca Zeitung wechselte. Die Redaktion besteht derzeit aus zwölf festangestellten Mitarbeitern inklusive Grafikern und Fotografen. Zusätzlich arbeitet die Zeitung noch mit einem halben Dutzend Freien zusammen. Aus dem größtenteils recht jungen Kollegium sind alle deutsche Muttersprachler mit sehr guten Spanischkenntnissen. Nur einer aus dem Team hat eine mallorquinische Mutter, weshalb er auch Katalanisch, die zweite Amtssprache Mallorcas spricht. Das hilft der Redaktion momentan sehr.
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