Auf Wahlwanderung
von Robert Domes
Durch die Region wandern und dabei über die Situation vor Ort und die anstehenden Wahlen sprechen. So lautete die Idee von Grit Baldauf, Leiterin der Regionalredaktion Mittelsachsen bei der Freien Presse. Also machte sich die freie Journalistin Laura Kaiser auf Wahl-Wanderschaft.
Idee
Das Erscheinungsgebiet der Zeitung umfasst winzige Dörfer und bedeutende Hochschulstandorte. Von einer Wanderung quer durch den Landkreis versprach sich die Redaktion ein realistisches Abbild der Stimmung unter den Einwohnern. Was läuft in den Städten und Gemeinden gut? Wo hakt es? Was fehlt den Bürgerinnen und Bürgern im Alltag? Was sollten die zu wählenden Politikerinnen und Politiker anpacken?
Vorbereitung
Zuerst feilte Kaiser an einer Route, die möglichst viele Kommunen erreicht, in einer Woche gewandert werden kann und an der auch Unterkünfte liegen. Am Ende kam eine Tour von rund 135 Kilometern heraus, die die Journalistin an acht Tagen gelaufen ist.
Route und Vorhaben wurden veröffentlicht, damit sich Einwohner melden konnten, um mitzuwandern oder ihre Anliegen loszuwerden. Die Chance haben eine Reihe von Leserinnen und Leser genutzt. Sie meldeten sich telefonisch, schriftlich oder per Facebook, vereinbarten einen Termin, um der Reporterin ihren Ort zu zeigen oder ihre Probleme zu schildern.
Umsetzung
Im April 2019, sieben Wochen vor den Kommunalwahlen in Sachsen, ging es los. „Unterwegs habe ich Menschen am Wegesrand, beim Bäcker oder in ihren Vorgärten angesprochen und mich mit jenen getroffen, die einen Termin ausgemacht hatten“, berichtet Kaiser. Dabei bekam sie viele Geschichten zu hören.
Die Redaktion stellte von Anfang an die Regel auf, keine Politiker oder Kandidaten mitwandern zu lassen. Anfragen, die es dennoch von verschiedenen Parteien gab, wurden abgelehnt.
Täglich schrieb Kaiser die Geschichten auf, schickte Texte und Fotos an die Redaktion und fütterte die Social-Media-Kanäle. Am nächsten Morgen konnten die Leser erfahren, was die Journalistin am Vortag erlebt hatte und wo sie heute unterwegs sein würde.
Fazit
Als unbegründet erwies sich die Sorge der Reporterin, angefeindet zu werden oder rassistische Klischees zu hören. Nichts davon sei passiert, berichtet sie. Vielmehr habe sie in den Gesprächen den Eindruck bekommen, dass die Menschen jeweils ein ganz konkretes Problem vor Ort beschäftigt, das ihren Alltag erschwert oder anders läuft, als sie es sich wünschen. In nahezu jedem Ort habe sie Beispiele dafür gefunden, dass Politik und Verwaltung an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger vorbeiplanen. Ihre Serie sollte deshalb auch ein Plädoyer an die Politik sein: „Wer das Leben von Menschen vor Ort verbessern möchte, muss den Ort gut kennen oder ihnen zuhören.“
Kaiser entdeckte bei der Wanderung auch selbst viele Ecken der Heimatregion, die sie noch nicht kannte. Allerdings sei die Aktion auch anstrengend gewesen. „Beim nächsten Mal würde ich mehr Zeit einplanen – oder einen Pausentag zwischendurch.“
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