Sammeldrehbuch

Best Practice Rechtspopulismus

von

Pöbelnde Masse

Wie geht man mit Hass und Misstrauen gegenüber bestimmten Gruppen um? Wie lassen sich gezielt gestreute rechtspopulistische Gerüchte entkräften? Die drehscheibe hat eine kleine Sammlung von guten Beispielen zusammengestellt und mit Helmuth Rücker, Leiter der Lokalredaktion des Vilshofener Anzeigers, einer Lokalausgabe der Passauer Neuen Presse, über das Vorgehen seiner Zeitung gesprochen.

Einladung

In der Debatte, die von rechtspopulistischen Gruppen angeführt wird, werden Medien immer wieder als „Lügenpresse“ bezeichnet. Den Medien wird darüber hinaus vorgeworfen, dass sie „von oben“ gelenkt werden. Solchen Vorwürfen in Leserbriefen oder Facebook-Kommentaren begegnet Helmuth Rücker einerseits damit, dass er in der Antwort erklärt, dass er nicht ferngesteuert sei und keine Politiker bei ihm anriefen, die ihm die kommende Ausgabe in die Feder diktierten. Andererseits lädt er die Kritiker und Kommentatoren ein, ihn bei seiner Arbeit zu begleiten und so mit eigenen Augen zu sehen, wie Journalisten arbeiten. „Die Leute sollen sich ihre Bestätigung für eine staatliche Lenkung der Medien selbst abholen“, findet Rücker. Auf sein Angebot ist bisher noch niemand eingegangen.

Als ihm zum Beispiel zugetragen wurde, dass in einem Freibad in der Stadt Flüchtlinge Radau machten und Mädchen angafften, die sich nun nicht mehr in das Freibad trauten, versuchte er dem nachzugehen. Er fand dabei viele diffuse Vorwürfe, aber keine glaubwürdigen Quellen, die diese bestätigten. In einem Leserbrief wurde ihm prompt vorgeworfen, falsch recherchiert zu haben. „Ich machte daraufhin dem Schreiber und jedem anderen Leser das Angebot, gemeinsam in das Freibad zu gehen und die Situation zu beobachten“, erzählt Rücker. Doch am verabredeten Tag kam niemand, um ihn bei der Recherche zu begleiten. So ging er alleine, sprach mit den Leuten im Freibad und schrieb einen vorsichtigen Artikel, in dem er die Vorwürfe widerlegte. „Die Leserbriefe ließen nicht lange auf sich warten“, sagt Rücker. „Dieses Mal wurde geschrieben, dass es voraussehbar wäre, dass keine jugendlichen Flüchtlinge Mädchen belästigen, wenn ich mich als Journalist im Freibad ankündige.“

Fast 40 Jahre ist Rücker nun Journalist, doch er habe noch nie erlebt, dass sich Menschen so wenig durch Fakten und so sehr durch gefühlte Wahrheiten leiten ließen. Auch früher gab es Leserbriefe, in denen falsche Tatsachen behauptet wurden. Eine einfache Widerlegung der Behauptungen mit der Anmerkung, dass aus diesem Grund der Brief nicht gedruckt werden könne, reichte da aber aus. „Heute wird mir Zensur vorgeworfen, wenn ich einen Leserbrief nicht drucke“, klagt Rücker. „Aber Zensur, das ist wirklich etwas anderes!“

Trotzdem, Rücker denkt nicht ans Aufgeben: „Auch wenn noch niemand auf meine Einladung gekommen ist, spreche ich sie mit wachsender Freude immer wieder aus.“

Helmuth Rücker, Vielshofener Anzeiger

Helmuth Rücker

Zeitung: Vilshofener Anzeiger (Passauer Neue Presse)
Mail: helmuth.ruecker@pnp.de
Tel.: 08541 – 966115

Best Practice I
Screenshot von Oldenburger-Lokalteil.de

Im Oktober 2011 schrieb Andreas Speit für das Onlinemagazin Oldenburger Lokalteil ein Porträt über den einzigen Vertreter der NPD im Rat der Stadt Oldenburg.
Der Oldenburger Lokalteil ist eingestellt. Der Artikel lässt sich aber noch im Archiv lesen.

Best Practice II
Michael Bittner und Werner J. Patzelt
Briefwechsel

Besorgte Bürger

Für die Sächsische Zeitung schreiben im Wechsel der „Gutmensch“ Michael Bittner, Satiriker, und der „Pegida-Versteher“ Werner J. Patzelt, Professor für Politikwissenschaft an der TU Dresden. Die beiden Autoren stritten zunächst auf ihren privaten Blogs, bis sie den Wortwechsel als wöchentliche Kolumne in die Zeitung verlegten.

Best Practice III, aus unserem Archiv
Gerüchtecheck des Westfalen-Blatt

Der Redaktion des Westfalen-Blatts war aufgefallen, dass mit den Flüchtlingen auch die Gerüchte über sie in die Region einzogen – Gerüchte, die ein schlechtes Licht auf die geflüchteten Menschen warfen und sich bei näherer Recherche als falsch herausstellten. So entschlossen sich die Redakteure dazu, die Gerüchte zu überprüfen und die Ergebnisse in der Rubrik „Gerüchtecheck“ regelmäßig zu veröffentlichen. Im Videointerview beantwortet der Chefreporter des Westfalen-Blatt, Christian Althoff, die Fragen der drehscheibe.

Best Practice IV, aus unserem Archiv
Nordkurier, Lesermeinungen

Der Nordkurier (Neubrandenburg) setzt bei seiner Berichterstattung über Flüchtlinge auf Lesermeinungen. Dafür hat die Redaktion das Leserforum ins Leben gerufen, das schon mal vier Seiten im Blatt einnehmen kann. Darüber und über den Umgang mit der AfD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern sprach die drehscheibe mit der stellvertretenden Chefredakteurin Marion Richard.

Best Practice V, aus unserem Archiv
PNN, Live von den Demos
Liveberichterstattung

Wie die PNN über Pegida berichten

Alexander Fröhlich, Reporter der Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN), berichtete stets live über Periscope von den Demonstrationen des Potsdamer Ablegers von Pegida. Im Videointerview erklärt er, warum er in dieser Form berichtet hat und welche Probleme dabei auftauchen können.
Anm. d. Red.: Die Anwendung Katch.me, mit der Videos von Periscope archiviert werden konnten, existiert nicht mehr.

Die Redaktion empfiehlt:
Wortwolke Extremismus
Rechercheleitfaden

Wo hört der Spaß auf?

Diese Recherchehilfe begleitet den Anfang einer intensiven Recherche. Dr. Fabian Virchow definiert im Interview die Begriffe Populismus und Extremismus und geht auf den Umgang der Medien mit Populisten ein. Daneben werden Studien zum Thema vorgestellt und auf Watchblogs verwiesen.

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