Wahl-Know-how

Das 1x1 der Stimmabgabe

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Das Kreuz mit den Wählern

Die Wurzeln sitzen längst nicht mehr so tief. Ein Trend: Die Parteibindungen der Wähler werden immer lockerer. Trotzdem gibt es sie noch: die Stammwähler. Die Strategen in den Parteizentralen können mit ihnen rechnen – sie allerdings nicht ohne Weiteres auf dem Stimmenkonto fest verbuchen.

Zwar ist bei dieser großen Wählergruppe die Entscheidung für eine andere Partei äußerst selten. Bleiben die Stammwähler aber zu Hause und verzichten auf ihre Stimmabgabe, kann dies zu einer deutlichen Verschiebung in der politischen Landschaft führen. Dass Stammwähler der Urne fernbleiben, hat vor allem zwei Gründe: eine durch Umfragen herbeigeführte Siegesgewissheit. Die lässt die eigene Stimme schnell entbehrlich erscheinen. Der andere Grund: Unzufriedenheit mit der eigenen Partei.

„Mobilisierung" heißt das Motto, nach dem die Wahlkampfzentralen der Parteien unmittelbar vor dem Urnengang um ihr Stammpotenzial kämpfen. Der eigenen Klientel muss etwas geboten werden.

Eine immer größere Rolle spielen aber auch die sogenannten Wechselwähler, die den entscheidenden Ausschlag am Wahltag geben können. Sie wechseln zwischen den Parteien. Sogar die Lager wechseln sie. Ihre Zahl nimmt mit jeder Wahl zu. Wer die Wechselwähler gewinnen will, muss jenseits traditioneller Bindungen Kompetenzfelder besetzen. Neben konkreten politischen Zielen sind dabei Stimmungen entscheidend.

K-Köpfe

Auch wenn es der Wahlkampf anders vermuten lässt: Am 24. September wird nicht die Bundeskanzlerin oder ein Kanzler gewählt, sondern die Zusammensetzung des Bundestages mit seinen (mindestens) 598 Abgeordneten. Theoretisch könnten die Parteien ohne Kanzlerkandidatin oder -kandidat antreten und sich erst nach der Wahl auf eine Frau oder einen Mann für das Amt des Regierungschefs festlegen, sofern sie die parlamentarische Mehrheit gewonnen oder durch Koalitionen organisiert haben.

Doch die Praxis sieht anders aus: Führende Politiker in den Vordergrund zu stellen, ist quasi die Voraussetzung für einen Wahlerfolg. Nicht nur bei SPD und Union wird stark auf Personalisierung gesetzt. Auch die kleinen Parteien treten offensiv mit Spitzenkandidaten – oft als Spitzen-Duo – auf.

Erstmals gab es im Vorfeld der Bundestagswahl 2002 ein direktes TV-Duell zwischen den Kanzlerkandidaten der beiden großen Volksparteien. Ein Novum mit Signalwirkung: K-Köpfe sind gefragt. Auch bei der letzten Bundestagswahl 2013 gab es ein TV-Duell. Angela Merkel und Peer Steinbrück debattierten damals eher zahm vor laufender Kamera. 2017 wird es das vierte Mal sein, dass Angela Merkel als Kanzlerkandidatin ein TV-Duell bestreitet. Und wieder wird ihr mit Martin Schulz ein Mann von der SPD gegenüberstehen.

Mindestens 5 Prozent – oder 3x direkt

Um überhaupt im Bundestag vertreten zu sein, muss eine Partei mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten. Erst dann hat sie Anspruch auf Mandate im Bundestag – je nach Stimmenanteil. Diese Sperrklausel dient der Stabilisierung des politischen Systems, erschwert aber gleichzeitig die parlamentarische Etablierung neuer politischer Parteien.

Erst durch den Einzug der PDS in den Bundestag 1994 ist eine Ausnahme von der Fünfprozenthürde einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden: Gewinnt eine Partei mindestens drei Direktmandate, gilt die Sperrklausel bei der Zweitstimme nicht. Die PDS konnte so 1994 mit einem Zweitstimmenergebnis von 4,4 Prozent in den Bundestag einziehen.

Taktisches Wählen

Einem großen Teil der Wähler ist die genaue Bedeutung von Erst- und Zweitstimme nicht bewusst. Das sagen mit Regelmäßigkeit die Umfragen vor und nach Bundestagswahlen. Die Wähler, die den Unterschied der beiden Stimmen aber richtig erkennen, nutzen dies oftmals zum "taktischen Wählen".

In der politischen Realität haben in der Regel nur die beiden großen Parteien eine Chance, in Wahlkreisen das Direktmandat zu gewinnen – trotz mancher Ausnahmen gerade in den fünf neuen Bundesländern.

Oftmals wählen daher Anhänger von kleinen Parteien mit der Erstimme nicht den Kandidaten ihrer Partei, sondern geben sie dem Kandidaten einer der beiden großen Parteien, der sie näher stehen. Andererseits kann auch der Anhänger einer der beiden großen Parteien seine Zweitstimme bewusst einer kleinen Partei geben, um damit die politischen Mehrheitsverhältnisse für bestimmte Koalitionen zu stärken.

"Sicherer Wahlkreis" oder "Auf der Liste abgesichert"

Bereits vor der Wahl können zum Teil sichere Prognosen abgegeben werden, welche Kandidaten einer Partei in den Bundestag einziehen. Zum einen gibt es für Parteien sogenannte "sichere Wahlkreise". Aufgrund der Wählerstruktur und der Erfahrung vorangegangener Wahlen kann man davon ausgehen, dass der Kandidat dieser Partei mit dem Erststimmenergebnis direkt in den Bundestag gewählt wird. Zum anderen kann prognostiziert werden, wie viele Mandate eine Partei aufgrund ihres Zweitstimmenergebnisses (mindestens) erhalten wird, d.h. wie viele Kandidaten von der Landesliste ins Parlament einziehen.

Sofern ein Kandidat keinen sicheren Wahlkreis hat, muss er einen Listenplatz auf der Landesliste seiner Partei anstreben, der im aussichtsreichen Bereich liegt. Man spricht dabei von der "Absicherung auf der Liste". In der Regel kandidieren Politiker in einem Wahlkreis um das Direktmandat und haben zudem einen (mehr oder weniger aussichtsreichen) Platz auf der Landesliste. Wenn sie das Direktmandat nicht gewinnen, haben sie die Möglichkeit, trotzdem in den Bundestag einzuziehen – über die Liste.

Überarbeitete Fassung des Textes, den die Bundeszentrale für politische Bildung im Jahr 2013 im Angebot WonAir unter der Creative Commons Lizenz CC BY-ND 3.0 DE veröffentlicht hat.
Teaserbild (c) Fotolia - vege

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