Gegen den Trend
von drehscheibe-Redaktion
Bundestagswahl 2013
Idee
In Kalk, dem Stadtteil von Köln mit der niedrigsten Wahlbeteiligung, hat der Kölner Stadt-Anzeiger ein bis dato einmaliges Projekt auf die Beine gestellt. Mit „Kalk wählt“ trotzte die Zeitung Vertrauenskrise und Politikverdrossenheit, indem sie es sich zur Aufgabe machte, die Bürger zum Urnengang zu motivieren.
Umsetzung
Was kann man tun, um die Wahlbeteiligung zu steigern? Die Lösung der Redaktion: Auf die Straße gehen und mit den Menschen reden. So hat die Redaktion vier Wochen lang mit verschiedenen Aktionen vor Ort und besonderen Artikeln im Blatt auf die Wahl und ihre Bedeutung aufmerksam gemacht.
Sie veranstaltete zum Beispiel ein Kinderfest, stellte Aktionsstände auf und organisierte kleine Konzerte. Während eines Unplugged-Konzerts konnten sich die Bürger ihr eigenes Titelblatt des Kölner Stadt-Anzeigers mit ihrem Foto ausdrucken lassen. Zu Autogrammstunden wurden lokale Fußballer geladen. Darüber hinaus gab es Podiumsdiskussionen und eine Veranstaltung zum Freitagsgebet in einer Moschee. Dort wurde die weitverbreitete Meinung diskutiert, dass Politiker alle das Gleiche sagen und machen. Das Wichtigste jedoch war das „Klinken-Putzen“. Viele Gespräche haben die Redakteure mit den Bewohnern von Kalk geführt und nicht selten stand zum Schluss der Satz: „Ich glaube, ich gehe wählen.“
Wichtig war der Redaktion dabei, nicht für eine Partei oder einen Kandidaten zu werben, sondern allein für die Wahlbeteiligung. Aus diesem Grund war auch zu keiner der Veranstaltungen ein Politiker eingeladen. Stattdessen gaben Promis wie die Moderatorin Nazan Eckes oder der Rapper Eko Fresh Statements ab, die zur Wahl aufforderten. Am Wahltag selbst verteilte die Redaktion in Kooperation mit einem lokalen Dönerladen Wahlgeschenke. Für die ersten 500 Wähler gab es einen Döner als Belohnung.
Neben der direkten Aufforderung wählen zu gehen, gab es zu der Zeit auch Artikel im Blatt, die sich losgelöst von den Wahlen mit Kalk beschäftigten. So wurde zum Beispiel die Entwicklung des Stadtteils nachgezeichnet – vom industriellen Arbeiterviertel zum Viertel mit der höchsten Arbeitslosigkeit im Stadtvergleich.
Aufwand
In den vier Wochen waren mehr als ein dutzend Redakteure und Reporter vor Ort unterwegs. „Es war wirklich ein riesiger Aufwand, den eine Redaktion nicht ständig betreiben kann“, sagt Detlef Schmalenberg, Ressortleiter Nordrhein-Westfalen. Mehrere Veranstaltungen in der Woche zu machen, bedeutet viel Arbeit. Die Abteilung für Veranstaltungen im Verlag habe der Redaktion dabei geholfen, doch auch die Abstimmung sei aufwendig gewesen. „Ich möchte jetzt aber niemandem Angst machen“, sagt Schmalenberg, „man kann das auch kleiner machen. Aber wir wollten die geballte Ladung auffahren.
Folgen
Schon vor dem Wahltag zog Schmalenberg in der Zeitung Bilanz. Er schrieb, dass sich die Aktion schon alleine deswegen gelohnt habe, weil die Redakteure mit den Kalker Anwohnern ins Gespräch gekommen seien. Die Zeitung habe eine Menge erfahren und verstanden, weshalb sich viele nicht mehr für ihre Umwelt interessieren. Tatsächlich lag die Wahlbeteiligung zur Bundestagswahl 2013 um 4,5 Prozentpunkte höher als bei der vorangegangenen Wahl.
Zur Bundestagswahl 2017
„Wir profitieren sehr von der Erfahrungen, die wir da gemacht haben“, fasst Schmalenberg zusammen. Wenn sie die Aktion wiederholen, dann vermutlich ein wenig kleiner und mit einigen Veränderungen. Im nächsten Jahr stehen in Nordrhein-Westfalen neben den Bundestagswahlen auch Landtagswahlen an. „Zu den Kommunalwahlen wäre es allerdings ein wenig naheliegender. Da kann man mit den Menschen besser über Politik diskutieren, da sie noch direkter davon betroffen sind, als bei den Bundestagswahlen“, erklärt Schmalenberg.
Sie können die Berichte von den Aktionen nachlesen unter Ksta.de.
Mit seinem Konzept gewann der Kölner Stadt-Anzeiger im Jahr 2014 den Wahlaward der Bundeszentrale für politische Bildung.
Teaserbild: Screenshot von Ksta.de
Detlef Schmalenberg
Zeitung: Kölner Stadt-Anzeiger
Tel.: 0221 – 224 21 82
Mail: detlef.schmalenberg@dumont.de
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