Gegenstimmen
von drehscheibe-Redaktion
Der Landbote, zu der Zeit Mantelteil für mehrere Schweizer Regionalzeitungen, hat bei den Kandidatenporträts Stimmen von anderen Politikern zu dem Kandidaten eingefangen und neben dem Porträt abgedruckt. Zu den Regierungsratswahlen 2011 im Kanton Zürich entstanden insgesamt sieben dieser Porträts, die jeweils ein Bild des Kandidaten, den Text, Angaben zur Person und die Fremdzitate enthielten. Die Redakteure trafen sich dafür jeweils mit den Kandidaten, so dass auch der persönliche Eindruck in das Porträt einfließen konnte. Darüber haben wir mit Thomas Schraner, damals Redakteur des Landboten, heute der Zürcher Regionalzeitungen gesprochen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Meinung der Konkurrenten in das Porträt einfließen zu lassen?
„Es ging uns darum, zusätzliche Perspektiven einzubringen. Wer ein Porträt über Polit-Kandidaten schreibt, liest sich ja ins Thema ein, studiert den Werdegang der Person, informiert sich über deren bisherige Aktivitäten und Vorstöße. Selbstverständlich spricht man auch mit Kollegen und Politikern aus verschiedensten Lagern. Schreibt man dann den Text, hat man die Wahl, solche Fremdeinschätzungen selektiv zu übernehmen oder sie als anonyme Zitate zu kennzeichnen. Letzteres wirkt unglaubwürdig. Am professionellsten schien es uns darum, die Fremdperspektiven mit Namen zu deklarieren. Wir fanden, das sei attraktiv für die Leserschaft und schaffe zusätzliche Transparenz."
Gab es Probleme bei der Umsetzung?
"Off the Record erhalten Sie viel mehr ungefilterte Einschätzungen. Muss jemand aber zu seinen Ansichten stehen, also seinen Namen nennen, wird es schwieriger. Parteikollegen oder -kolleginnen äußern sich ungern negativ übereinander, weil das der Partei schadet und man sich unbeliebt macht. Beißhemmungen gibt es natürlich auch bei Einschätzungen von Parteifremden. Deshalb erhält man in der Regel eine Sowohl-als-auch-Einschätzung: Etwas Positives und ein bisschen Kritik. Das mag damit zusammenhängen, dass Politiker es sich miteinander nicht verderben wollen, falls sie selbst einmal Kandidat werden. Nur die ganz Mutigen oder starke Konkurrenten wagen es, ungefiltert Kritik anzubringen."
Werden Sie das Konzept auch in Zukunft weiterverfolgen?
„Grundsätzlich finden wir die deklarierten Außenperspektiven attraktiv. Wichtig ist dabei, dass man die Auswahl sorgfältig trifft. Man sollte also nicht nur Gegner oder nur Parteifreunde zu Wort kommen lassen, sondern aus Gründen der Fairness ein Gleichgewicht schafft. Dafür sind mindestens zwei gegensätzliche Stimmen erforderlich.“
Thomas Schraner
Zeitung: Zürcher Regionalzeitungen
Tel.: +41 (0)52 266 99 65
Mail: thomas.schraner@zrz.ch
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