Tipps und Leitfaden

Migration als Wahlkampfthema

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Deutschland ist eine Zuwanderungsgesellschaft (Foto: AdobeStock/MichaelJBerlin)
Deutschland ist eine Zuwanderungsgesellschaft (Foto: AdobeStock/MichaelJBerlin).

Die Kommunen sind überlastet, der Druck auf dem Wohnungsmarkt steigt. Rechtsextremistische Meinungen haben an Zustimmung gewonnen. Andererseits demonstrieren Millionen Menschen gegen Rassismus, Unternehmen drängen auf die Zuwanderung von Fachkräften. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung fasst die Lage so zusammen: Die deutsche Bevölkerung schwanke zwischen Existenzängsten und einer dennoch offenen Haltung gegenüber Migrantinnen und Migranten, die durchaus als Chance für das Land begriffen werden.

Das Thema spielt im Wahljahr eine bedeutende Rolle. Wie sieht eine angemessene Berichterstattung, auch im Lokalen, aus? Damit, wie sich Redaktionen ausgewogen mit dem Thema auseinandersetzen können, haben sich am 29. Mai internationale Journalistinnen und Journalisten bei einer Podiumsdiskussion der taz Panter Stiftung in Berlin beschäftigt.

Ursachen, Lösungen, Werte

Die Beteiligten aus dem Mittelmeer-Raum berichteten aus dem Libanon (Ghadir Hamadi), aus Griechenland (Stavros Malichudis), Italien (Alessia Manzi), Spanien (Agus Morales), Tunesien (Mirko Keilberth), Marokko und Frankreich (Hasna Belmekki) und damit unmittelbar von den Außengrenzen der Europäischen Union.

Wir haben für Sie die wichtigsten Anregungen der Kolleginnen und Kollegen zusammengetragen.

  • Ursachen für Migration nennen: Krieg, politische Konflikte, Klimakrise – über die Gründe für Flucht und Auswanderung aufzuklären, helfe, Migration und ihre internationalen Zusammenhänge für die hiesige Bevölkerung verständlich zu machen.
  • Lösungsorientiert berichten: Problemen und berechtigten Sorgen sollten Lösungsansätze gegenübergestellt werden. Welche davon überzeugen Bürgerinnen und Bürger, welche nicht? Werden alle wichtigen Maßnahmen von der Politik verfolgt? Was sind Hindernisse?
  • Wertedebatten anstoßen: Es brauche eine positive gemeinsame Gesellschaftsvision, betonten die Journalistinnen und Journalisten. Auf dem Weg dorthin seien Wertefragen essentiell: Wie stehen die Menschen zu Grundrechten wie dem Recht auf Asyl? Was löst ihre Solidarität aus? Auf welche Werte können sich unterschiedliche Menschen einigen?
  • Themen selbst setzen: Redaktionen sollten bei der Berichterstattung über Migration eigene Schwerpunkte wählen. Wo fehlt z.B. seitens der Politik eine Einordnung? Welche wichtigen Informationen gehen unter?
  • Den Perspektiven von Migrantinnen und Migranten Raum geben: „Hinter jeder Person steckt eine Lebensgeschichte“, sagte die libanesische Journalistin Ghadir Hamadi. Welche Lebenssituationen führen zur Auswanderung? Wie fühlen sich Menschen damit, ihre Heimat verlassen zu haben? Welche Probleme haben sie in Deutschland?
  • Rechercheservice für Bürgerinnen und Bürger: Die Redaktion klärt regelmäßig Mythen, Vorurteile und populistische Äußerungen um Migration auf.

Die ganze Podiumsdiskussion ist online zu sehen.

drehscheibe-Tipps:

  • Die Redaktion gibt vor der Wahl Überblick über die Gesamtlage und recherchiert umfangreich Daten zur regionalen Zuwanderung: Aus welchen Staaten kamen in den vergangenen Jahren wie viele Menschen? Was waren Hauptgründe dafür? Wo in der Region leben die Menschen? Wie viele sprechen Deutsch? Wie viele arbeiten, bekommen Sozialleistungen oder warten auf eine Arbeitserlaubnis?
  • „Neue Nachbarn“ – in einer Reihe Kurzportraits werden die Lebensgeschichten von zehn Menschen erzählt, die im vergangenen Jahr in der Region angekommen sind. Was haben sie erlebt? Was macht sie aus? Was bringen sie mit? Wie blicken sie auf die Debatte über Zuwanderung im Wahljahr?
  • „Fünf Fragen, fünf Antworten“ – Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf werden zu einem Bürgerdialog eingeladen. Im von der Redaktion moderierten Gespräch sollen für fünf zentrale Probleme im Zusammenhang mit Migration in der Region Lösungen gefunden werden. Am Ende entsteht ein Bericht über die gemeinsame Suche nach Antworten.
  • Umfrage unter Wahlberechtigten: Auf der Straße sammelt die Redaktion Stimmen dazu, wie sich Bürgerinnen und Bürger das Zusammenleben vor Ort und in Europa wünschen. Dabei kommen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu Wort. Zusätzlich ordnet eine Expertin oder ein Experte aus der Wissenschaft ein, welche Rolle gemeinsame Werte für die Gesellschaft spielen.
  • Eine Person begleitet aktuelle Fragen, Probleme und positive wie negative Entwicklungen im Zusammenhang mit Migration durch eine zweiwöchentliche/ monatliche Kolumne über den Wahlkampf hinaus.
  • Große Stücke zum Thema Migration erhalten im Wahljahr eine Infobox zu verbreiteten Mythen und Vorurteilen in diesem Zusammenhang.


Beispiele aus den Redaktionen:

  • Die Westfälischen Nachrichten (Münster) gehen den Fakten hinter verbreiteten Meinungen zur Migration nach. Zum Beitrag (Paywall).
  • Aus der Altmark-Zeitung (Salzwedel) erfährt man, wie ein Klinik-Kollegium mit 28 Sprachen im Alltag zusammenarbeitet. Zum Beitrag.
  • In der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (Essen) bewertet eine Jugendliche mit türkischem Hintergrund die Pläne der Parteien zur Europawahl für das Thema Zuwanderung. Zum Beitrag (Paywall).
  • Der Trierische Volksfreund stellt eine Institution vor, die Menschen die Integration erleichtern soll: den Beirat für Migration. Zum Beitrag (Paywall).
  • Was Heimat ist – diese Frage lässt sich die Sächsische Zeitung (Dresden) von Menschen beantworten, die sie schon mal verlassen mussten. Zum Beitrag (Paywall).
  • Die Badische Zeitung (Freiburg) berichtet, wie Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sich gemeinsam für eine respektvolle Gesellschaft einsetzen. Zum Beitrag (Paywall).


Weiterführende Tipps:

  • Rechtsextreme Medienstrategien: In ihrem Beitrag für das bpb-Magazin Aus Politik und Zeitgeschichte erklärt die Diskursforscherin Ruth Wodak, wie die Berichterstattung um die „Flüchtlingskrise“ genutzt wurde, um Ressentiments zu stärken, und wie man vorbeugen kann.
  • Service für Redaktionen: Der Mediendienst Integration bündelt verlässliche Informationen rund um das Thema Migration, oft mit kommunaler Perspektive. Zur Website.

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