Politiker auf dem Prüfstand
von Gastautor
Wie tickt der Bürgermeister? Wie setzt er seine Schwerpunkte? Jennifer Opel, Crossmedia-Reporterin lokal beim Fränkischen Tag, will das herausfinden und macht den OB-Check.
Die Idee Die Kreisstadt Forchheim ist jahrelang von einem CSU-Bürgermeister geführt worden. 2016 trat dieser aus gesundheitlichen Gründen zurück, ein SPD-Mann gewann die Oberbürgermeisterwahl. Im März 2020 wurde er wiedergewählt. Für die Redaktion ist die Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister nicht immer einfach, oft ärgern wir uns, werden ausgebremst. Schnell wurde uns klar, dass die Arbeit des OB sich in vielen Punkten von der seines Vorgängers unterscheidet. Typsache oder Parteigründe? Wir wollten es genauer wissen und den Oberbürgermeister durchchecken.
Die Planung Um einen OB-Check möglichst fundiert und nicht zu subjektiv durchführen zu können, wollten wir einen Uniprofessor für Vergleichende Politikwissenschaft hinzuziehen. Zuerst habe ich anhand des Grundsatzprogrammes der SPD die scheinbar wichtigsten sozialdemokratischen Grundwerte ausgesucht. Mit dem Experten der Universität habe ich nach einem Telefonat entschieden, mich zusätzlich auf die Positionspapiere der sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik zu fokussieren und gleichzeitig gab er mir den Rat, die Checkliste von einem seiner Kollegen, der selbst SPD-Mitglied sei, checken zu lassen. Eine Checkliste mit neun Punkten entstand.
Die Umsetzung Neun lokalpolitisch relevante Themen in wenigen Sätzen einordnen: ein Mammutprojekt. Deshalb holte ich mir die Kollegen zur Hilfe, die in den letzten Wochen ohnehin mit dem ein oder anderen Thema in Berührung gekommen waren. So kümmerte sich ein Kollege um das Thema Integration, eine andere Kollegin um den sozialen Wohnungsbau und noch eine Kollegin ging das Thema Kita-Plätze an. Nicht alle neun Themen wollten wir von der Pressestelle der Stadt bearbeitet wissen, weswegen die Einordung teilweise auch ungenannte oder externe Quellen forderte. Schließlich kamen wir zum Vergabesystem. Unsere Grafikerin bastelte Daumen, die nach oben, seitlich oder nach unten zeigten. Eine Doppelseite wurde gestaltet. Als zusätzliche Information wollten wir unsere Vorgehensweise offen zeigen und bauten dazu einen Infokasten ein. Ein Ausblick, wer mittlerweile den Vorsitz der SPD übernommen hat und was von deren Seite geplant ist sowie ein Rückblick über prominente Ex-SPDler ergänzten den Check. Zur Abrundung kam ein Kommentar dazu, der einordnen sollte, wieso der SPD-Oberbürgermeister wohl die Wähler auch bei der zweiten Wahl überzeugen konnte.
Das Besondere Wir haben mit verschiedenen Einordnungsweisen gearbeitet. Teilweise waren es Einschätzungen der Redaktion (zum Beispiel zum Thema „solidarisches Miteinander“), teilweise gaben Experten ihre Meinung ab. Manche Themen konnten auch mit Zahlen aus dem Haushalt unterfüttert werden. Um den Lesern ganz deutlich zu zeigen: Wir haben die Checkliste nicht einfach aus der Luft gegriffen, haben wir den Infokasten zum transparenten Arbeiten erstellt.
Die Probleme Neun Punkte auf einer Seite, dazu Infobox, Persönlichkeiten und ein Kommentar: Wie kann man so eine vermeintliche Textwüste trotzdem ansprechend gestalten? Hier hat unsere Grafikerin volle Arbeit geleistet. Ein weiteres Problem: Komplexe Inhalte knapp fassen, analysieren und ausnahmsweise auch werten. Etwas, das wir sonst versuchen, nur in Kommentaren zu tun, wurde nun zum wichtigen Element der Geschichte.
Die Resonanz In einigen persönlichen Gesprächen habe ich das Feedback erhalten, dass diese Herangehensweise spannend und mutig ist. Ein Leserbrief warf uns unsachliche Einordnung und die falschen Checkpunkte vor. Ganz anders sah es der Experte der SPD: Dieser betonte, dass die Punkte ziemlich genau die wichtigsten Themenbereiche der SPD abbildeten. Er regte auch an, so einen Check auf andere Parteien auszuweiten. Vonseiten der Stadt gab es keine Resonanz.
Das Fazit Das Thema Oberbürgermeister treibt uns als Lokalredaktion nach wie vor um. Das Aufschlüsseln seiner Schwerpunktsetzung und deren Umsetzung haben uns aber gezeigt: Auch wenn er unsere Arbeit manchmal schwer macht, seine Themen besetzt der Oberbürgermeister in weiten Teilen und setzt sie um. Er wurde schließlich nicht gewählt, um mit der Presse zusammenzuarbeiten, sondern um seine Agenda durchzusetzen. Der Aufwand für die Doppelseite war enorm und nur zu stemmen, weil wir uns genug Zeit dafür gegeben haben. Besonders eine sorgfältige Planung ist bei so einem Projekt wichtig.
Text: Jennifer Opel
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