Recht und Gesetz
von Antonia Eichenauer
Die Wahlberichterstattung ist eine wichtige Variable in Zeiten des Wahlkampfes, während und nach der Wahl. Woran müssen Journalisten bei ihrer Berichterstattung im Spannungsfeld von Privatheit und Öffentlichkeit denken? Dafür hat die drehscheibe mit Karina Hesse, Justiziarin Medienrecht von Axel Springer gesprochen.
Interview mit Karina Hesse
Frau Hesse, wie ist Ihre Erfahrung mit rechtlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Wahlberichterstattung?
Ich bin jetzt schon 25 Jahre im Geschäft und mit der Wahlberichterstattung hatte ich so gut wie nie Probleme. Das liegt daran, dass die Wahlberichterstattung Themen betrifft, die der Meinungsbildung dienen. Es geht also nur um Personen des öffentlichen Interesses, die sich dazu auch noch öffentlich zu einem öffentlichen Thema äußern. Das heißt, Sie befinden sich als Journalist immer in einem Bereich, in dem schwierige Abwägungsprobleme zwischen Privatsphäre und Informationsinteresse eine mehr als untergeordnete Rolle spielen. Äußerungen im Wahlkampf sind in der Regel für die Öffentlichkeit bestimmt. Sie müssen nur – das ist das Wichtigste bei jeder Berichterstattung, nicht nur bei der über Wahlen – ordentlich recherchieren und der Wahrheit entsprechen. Ist eine Behauptung falsch, muss sie unterlassen werden, aber auch das gilt nicht nur für Wahlberichterstattung.
Wahlberichterstattung ist also eine rechtlich sichere Sache, da nahezu alle Informationen der öffentlichen Meinungsbildung dienen?
Ja. Es sei denn, Sie berichten über einen einzelnen Kandidaten, weil Sie gehört haben, dass er sich früher strafbar gemacht habe oder ähnliches. Hier muss das öffentliche Informationsinteresse gegen die Interessen des Betroffenen abgewogen werden. Dabei streitet die Position des Politikers für eine Berichterstattung – und das ist auch die Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte –, denn an Politikern besteht ein gesteigertes rechtliches Interesse.
Sind Sie der Meinung, man sollte eher etwas drucken und das Risiko eingehen, dass es im Nachhinein Beschwerden gibt, als etwas der Öffentlichkeit vorzuenthalten?
Das sehe ich so. Aber wie gesagt: Voraussetzung ist immer eine gute Recherche. Das ist wirklich das rechtliche A und O bei jeder Berichterstattung, also auch bei der Wahlberichterstattung. Falsche Berichterstattung ist immer angreifbar und diskreditiert die Medien und den Autor.
Gibt es dennoch Stolperfallen bei der Berichterstattung über Wahlen?
Ja, wenn Sie zum Beispiel jemanden falsch zitieren. Es passiert, dass sich Politiker nach der Veröffentlichung melden und sagen: ‚Das habe ich so oder so nicht gesagt oder in einem anderen Kontext. Sie haben mich falsch zitiert.’ Das ist sehr ärgerlich, denn es kann in diesem Fall eine Unterlassungsklage auf Sie zukommen. Oder es wird der Anspruch auf Gegendarstellung oder Widerruf geltend gemacht. In der Regel müssen Sie sich aber keine Sorgen machen, dass es Forderungen auf Schmerzensgeld gibt. Das spielt bei der Wahlberichterstattung überhaupt keine Rolle.
Wie minimiert man das Risiko?
Manchmal sagen Politiker etwas, was sich im Nachhinein als äußerst brisant herausstellt. Sie als Journalisten merken das sofort und wollen darüber schreiben. Aber in der Regel dementiert der Politiker hinterher, dass er das so gesagt habe. Geht es um einen öffentlichen Auftritt, werden Ihnen in der Regel Ton- oder Videoaufnahmen zur Verfügung stehen, die belegen, dass sie richtig berichtet haben. Bei einem Interview oder bei Gesprächsrunden können sie auf die Aufnahme des Gespräches zurückgreifen. Aber Sie dürfen das nicht-öffentlich gesprochene Wort nur aufnehmen, wenn Sie von dem Betroffenen eine Genehmigung dafür haben. Sonst machen Sie sich gegebenenfalls strafbar.
Strafgesetzbuch
§ 201 Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt
1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder
2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt
1. das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder
2. das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.
Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen. Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.
Wenn eine weitere Person bei dem Gespräch dabei ist, hilft das schon mal, genauso wie Notizen. Eine eidesstattliche Versicherung ist auch sehr hilfreich. Wenn Politiker etwas sagen, von dem sie hinterher merken, dass es falsch ist, ist das eigentlich der einzige Fall, bei dem ich sagen würde, dass Wahlberichterstattung rechtlich ein wenig kritisch werden könnte.
Warum ist das Wissen um die rechtliche Grundlage der journalistischen Arbeit so wichtig?
Wenn Sie unwissend sind, trauen Sie sich entweder nicht, etwas zu veröffentlichen, obwohl es rechtlich möglich wäre, oder Sie machen etwas falsch. So oder andersherum ist das ärgerlich. Verleger sollen deswegen auch dafür sorgen, dass ihre Journalisten gut ausgebildet sind und dass ihnen mindestens alle zwei Jahre eine Rechtsschulung angeboten wird. Sie dürfen auch nie vergessen. Journalisten stehen mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes. Art. 5 des Grundgesetzes schützt Journalisten und nimmt sie gleichzeitig in die Pflicht.
Grundgesetz
Artikel 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Karina Hesse
... ist Justiziarin Medienrecht beim Axel Springer Verlag.
Online Gesetze recherchieren
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Webseite Gesetze-im-internet.de ins Leben gerufen, auf der sich fast alle Gesetze der Bundesrepublik finden lassen, zum Beispiel das wichtige Bundeswahlgesetz mit seinem § 32 zu unzulässiger Wahlpropaganda und Wählerbefragungen.
Auf der Webseite des Bundeswahlleiters können sich alle Onliner über die spezifischen Gesetze zur Wahl informieren.
Literatur
Die Bundeszentrale erklärt in ihrem Dossier Lokaljournalismus auch „Rechte und Pflichten“ von Journalisten.
Das Netzwerk Recherche hat in ihrer nr-Werkstatt 19 „Presserecht – Praxis-Wissen für den Paragrafen-Dschungel“ Beiträge zum Thema gesammelt.
„Menschen machen Medien“, die Plattform für Medienmacher von Verdi stellt auf einer Seite aktuelle Urteilssprüche und weitere rechtliche Entwicklungen zusammen.
Veröffentlicht am
Kommentare
Einen Kommentar schreiben