Wahlen in Zeiten der Pandemie
von Mirjam Ratmann
Die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen werden unter erschwerten Bedingungen stattfinden. Wie sich Land, Kreis und Kommunen darauf vorbereiten und was Lokalredaktionen wissen sollten.
Trotz Corona-Krise eine Wahl auf kommunaler Ebene bewerkstelligen – wie das funktionieren kann, hat Frankreich vor wenigen Wochen vorgemacht. Auch Deutschland steht eine solche Wahl bevor: Am 13. September sind alle Wahlberechtigten in Nordrhein-Westfalen aufgerufen, ihre Stimme für Stadt-, Gemeinde- und Kreisrat abzugeben. In vielen Kommunen wird zusätzlich über das Amt des Oberbürgermeisters und den Integrationsrat entschieden. Um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, beschloss der Landtag, dass Wahlkreise ihre Stimmbezirke erweitern dürfen. Außerdem bekamen die Parteien mehr Zeit, um ihre Wahlvorschläge einzureichen. Städte, Kreise und Kommunen planen bereits jetzt Sicherheitsvorkehrungen für die Wahl. Ende Mai wandten sich einige daher an den Landeswahlleiter Wolfgang Schellen, um Handlungsempfehlungen einzuholen. Dieser verwies allerdings darauf, dass die Kommunalwahlen Kernbestandteil der kommunalen Selbstverwaltung seien. „Alle Entscheidungen sind in Ansehung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse zu treffen“, heißt es in dem Erlass von Anfang Juli. Das letzte Wort haben also die Gemeinden selbst.
Wie bereiten sich Kommunen vor?
In vielen Gemeinden haben die Zuständigen mit den Vorbereitungen der Wahl mehr zu tun als üblich – zumal lange nicht feststand, ob sie stattfinden kann. „Das Ganze ist eine große Herausforderung“, bestätigt Johannes Slawig, Stadtdirektor und Wahlleiter der Stadt Wuppertal. Alle Wahlräume würden überprüft und nicht alle werden sich für die diesjährige Wahl eignen. „Wir rechnen damit, dass sich die Anzahl der Wahllokale reduzieren wird.“ Für die Wähler werde das längere Wege zur Urne bedeuten. In Lüdenscheid hat man diese Prüfung bereits abgeschlossen: Die Wahllokale seien von 79 auf 54 reduziert worden, sagt Wahlamtsleiter Wolfgang Padur. Ähnlich sieht die Situation in Köln aus: „Es werden keine Kitas und Seniorenheime als Wahlräume genutzt werden“, erklärt Stadtkämmerin und Wahlleiterin Dörte Diemert. Im Kreis Euskirchen ist das nicht so einfach. Einige Kommunen seien so klein, dass sie es sich nicht leisten könnten, auf Räume zu verzichten, befindet Stephanie Schneider-Trimborn, Abteilungsleiterin Kommunalrecht und Wahlen.
Vor allem für die Verwaltung hat sich das Arbeitspensum erhöht: „Wir werden bis zum letzten Tag damit beschäftigt sein, die Wahlvorschläge zu prüfen“, sagt Schneider-Trimborn. Slawig sieht ebenfalls einen stärkeren Verwaltungsaufwand. Da während der Corona-Hochphase das Wählerverzeichnis nicht aktualisiert werden konnte, müsste daran nun unter Hochdruck gearbeitet werden, betont der Wuppertaler Stadtdirektor. Auch um Wahlhelfer macht er sich Sorgen – noch fehlen rund 20 Prozent. „Viele zögern und sind unsicher“, sagt er. In Köln fehlen ebenfalls noch mehrere Tausend. Lüdenscheid hat hingegen bereits alle Wahlhelfer beisammen. Solche, die zur Risikogruppe zählen, sollen ihr Ehrenamt möglichst nicht ausüben – dazu rät der Landeswahlleiter.
Welche Vorsichtsmaßnahmen gelten am Wahltag?
Um am Wahltag selbst den Schutz aller Beteiligten zu garantieren, wollen sich die Kommunen weitgehend an den Empfehlungen des Landes orientieren. Das schlägt vor, für Wahlvorstände Mund-Nase-Schutz zur Verfügung zu stellen und darauf zu achten, dass im Wahlraum der Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. „Wir werden noch früher als üblich mit dem Aufbau in den Wahllokalen beginnen, um Wege entsprechend zu markieren“, sagt Schneider-Trimborn. In Wuppertal will man separate Ein- und Ausgänge ausweisen, um Schlangenbildungen zu vermeiden. Das Hygienekonzept der Stadt Lüdenscheid sieht sogar vor, Wachpersonal einzustellen, um die Schutzmaßnahmen einhalten zu können. Die Stadt hat zudem beschlossen, die Anzahl der Personen, die sich gleichzeitig im Wahlraum aufhalten dürfen, zu beschränken: So sei es nur maximal vier Personen vom Wahlvorstand und, je nach Größe des Wahllokales, vier bis maximal sechs Wahlberechtigten erlaubt, sich zur gleichen Zeit in einem Wahllokal zu befinden, erläutert Wahlamtsleiter Padur. Landeswahlleiter Schellen empfiehlt außerdem, die Räume regelmäßig zu lüften. Die Stimmzettel sollten möglichst mit dem eigenen Stift ausgefüllt werden. „Wir werden dazu aufrufen, dass Wähler ihre eigenen Stifte mitbringen“, sagt Slawig und ergänzt: „Es wird aber auch genügend Stifte vor Ort geben, die wir reinigen.“ In Lüdenscheid will man an jeder Wahlkabine Handtücher und Desinfektionsmittel bereitstellen.
Wird es eine Maskenpflicht geben?
In allen Wuppertaler Wahllokalen sollen Plakate aufgehangen werden, die zum Abstandhalten auffordern und das Tragen einer Maske empfehlen – eine Masken-Pflicht wird es hier jedoch nicht geben. Anders in Lüdenscheid: „Wir werden eine Masken-Pflicht anordnen“, sagt Wahlamtsleiter Padur. Landeswahlleiter Schellen hatte für eine Pflicht bisher keine Notwendigkeit gesehen. Das Risiko für eine Infektion im Wahlraum schätze er, mit Stand Juli, als gering ein. So sieht das auch Dörte Diemert: „Die Urnenwahl ist als sehr sicher zu bewerten.“ Der Kreis Euskirchen empfiehlt lediglich das Tragen einer Maske; Gemeinden sollten welche auf Vorrat haben. „Ein Wahlberechtiger soll nicht an seinem Wahlrecht gehindert werden, nur weil er keine Maske dabeihat“, erläutert Schneider-Trimborn. Dieses Szenario hält auch der Lüdenscheider Wahlamtsleiter für problematisch: Man werde niemandem die Wahl verwehren, der ohne Maske auftauche. „Wahrscheinlich werden wir dann den Zugang kurzzeitig absperren.“
Welche Hürden gibt es noch? Bei einer etwaigen Gefährdung oder Verhinderung des Wahlgeschäftes durch Menschen mit Covid-19-Symptomen oder einer nachgewiesenen Erkrankung sollten sich Wahlvorstände an die Gesundheits- oder die Ordnungsbehörden wenden, rät der Landeswahlleiter. „Bei uns wird es keine Fiebermessungen geben“, sagt Wolfgang Padur. Allen Wahlberechtigten, auch mit Corona, müsste die Wahl ermöglicht werden, urteilt Schneider-Trimborn. Eine Möglichkeit dafür ist neben der Direktwahl die Briefwahl – von der alle einen Anstieg der Teilnehmerzahlen erwarten. Damit sei auch ein erhöhter logistischer Aufwand verbunden, prognostiziert Schneider-Trimborn. In Köln wird man daher zwei Hallen der Kölner Messe zur Stimmauszählung nutzen müssen. „Allen Wahlberechtigten wird vor diesem Hintergrund der Gang zum örtlichen Wahlraum empfohlen“, sagt Dörte Diemert. Trotz der Herausforderungen glauben die Verantwortlichen an eine erfolgreiche Wahl. Wuppertals Stadtdirektor Johannes Slawig ist zuversichtlich: „Wir machen das Beste draus.“
Text: Mirjam Ratmann
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