Storytelling September 2013
Kampf auch ohne Windmühlenflügel
Dauer-Projekt Cathrin Eßbach und Jan Lange erfüllen Holler Mühlen-Denkmal mit neuem Leben. Das Paar hat die Mühle vor zwei Jahren gekauft. Zuvor haben beide eine Müller-Ausbildung absolviert. Von Stephan Onnen
Nein, an Zufälle glaubt Cathrin Eßbach nicht. Irgendwie scheinen sich im Leben alle Puzzleteile zu einem großen Ganzen zu fügen. (Das Leitmotiv „Schicksal“ wird eingeführt.) Wie ist es sonst zu erklären, dass sie gemeinsam mit ihrem Freund Jan Lange vor vier Jahren eine Ausbildung als „Freiwillige Müllerin“ absolviert hat. Ein Jahr lang war das Paar alle vier Wochen in einer anderen Mühle, hat Mahlsteine geschärft, sich in engen Mühlenkappen die Köpfe gestoßen und die Segel der Flügel gesetzt. Und jetzt leben Eßbach und Lange selber in einer Mühle, einem Denkmal. (Das Vorher-Nachher ist etabliert.) Seit dem 1. Juli 2011 sind sie in dem 1887 erbauten Galerieholländer an der Holler Landstraße 114a zuhause. „Ein Reihenhaus passt nicht zu uns. Wir werkeln gerne und brauchen Platz um uns herum. Und Mittagsruhe von eins bis drei gibt’s bei uns auch nicht“, lacht Cathrin Eßbach. (Am Ende des Absatzes sind die Protagonisten charakterisiert.)
Gebäude mit „Seele“
Auf die Holler Kornmühle waren sie schon während ihres Müller-Lehrgangs aufmerksam geworden. Als sie Jahre später auf der Suche nach einer ländlichen Immobilie, einem Resthof, waren, stießen sie in einem Inserat wieder auf Holler Mühle. „Als wir sie live gesehen haben, war es Liebe auf den ersten Blick“, sagt Cathrin Eßbach. (Schlüsselerlebnis) „Da hat das Schicksal Regie geführt.“ (Das Leitmotiv erscheint zum zweiten Mal.)
Das Backsteingebäude nennt die 46-Jährige „unser Baby“. (Das Bild wirkt übertrieben und macht neugierig.) Und in der Tat braucht das historische Gemäuer, das relativ günstig erworben werden konnte, viel Fürsorge und macht eine Menge Mühe. (Der Autor bestätigt und deutet die Metapher.) Der Mühle bescheinigt sie eine „Seele“. Als das Gebäude anfangs von Styroporplatten, die ihm als Dämmung die Luft genommen hätten, befreit wurde, habe es regelrecht aufgeatmet, so Eßbach. (Der Absatz könnte überschrieben sein: Die Liebe zum Baby.)
Lebenslanges Projekt
Um ein schleichendes Absacken zu verhindern, hat Jan Lange das Haus als erstes über eine nachträgliche Pfahlgründung stabilisiert. In der oberen Etage hat der 33-Jährige ein Zimmer für seine Tochter Lena hergerichtet. Die Achtjährige ist auch jetzt in den Sommerferien zu Besuch. (Geschickt eingebunden: die Nebenfigur Lena, die auf dem Foto auftaucht und deshalb erläutert werden muss.) In der Mühle fühlt sie sich pudelwohl.
Um die Tür zum Mühlenraum wieder in ihrer ursprünglichen Breite herzustellen, musste eine Wand herausgerissen werden. Neue Fenster wurden eingesetzt, die Heizung wurde erneuert und ans Abwärmenetz der benachbarten Biogasanlage angeschlossen. Dass sich im Winter trotzdem Eisblumen an den Fenstern bilden, findet Cathrin toll. „Das bringt uns unsere Kindheit zurück.“ „Wir sind nie fertig“, sagt Jan achselzuckend. Die Windmühle sei ein lebenslanges Projekt – ob es 38 oder 42 Jahre dauere, sei egal. „Wir wollen uns nicht zu Sklaven unseres Hauses machen, sondern nehmen uns auch Zeit für andere Dinge“, sagt Cathrin. Zum Verzweifeln bleibe keine Zeit, auch dann nicht, wenn mal Wasser aus der Wand tropft. (Der Absatz könnte überschrieben sein: Die Mühsal mit dem Baby.)
Keinen Tag bereut
Die Entscheidung, in einem Denkmal zu wohnen, haben beide „noch keinen Tag bereut.“ „Ich kann mir nichts anderes mehr vorstellen“, sagt Cathrin Eßbach. „Dabei sind wir eigentlich Stadtmenschen.“ Und eigentlich ist Eßbach Architektin. Die 46-Jährige hatte bis dato ihren Lebensmittelpunkt in Osnabrück. Sie betreibt dort seit zwölf Jahren das „Penthouse Backpackers“-Hostel. Lange stammt aus Zschopau bei Chemnitz, ist gelernter Bäcker und Krankenpfleger, hat sein Geld als Dachdecker und Isolierer verdient. Jetzt arbeitet er als Lagerist beim Monumentendienst, der das Ziel hat, den Bestand an historischen Gebäuden im Weser-Ems-Gebiet zu erhalten. (Hintergrund zum Helden-Paar) Auch das ist wieder so ein Puzzleteil, (Das Leitmotiv, dritter Auftritt) das genau passt: Denn den historischen Bestand ihrer Mühle wollen auch Eßbach und Lange sichern. Hier wird zwar nie mehr Korn gemahlen, aber die vorhandene Mühltechnik mit Mahlstein, Mahlgang, Kammrad, Drehkranz und Flügelwelle soll erhalten bleiben. (Der Bezug zum Anfang, der Müller-Ausbildung, schafft Dichte.)
Kran nimmt Kappe ab
An diesem Sonnabend folgt ein weiterer Meilenstein bei der Instandsetzung: Per Kran wird ab 10 Uhr die tonnenschwere Mühlenkappe abgenommen. (Ausblick – und Anlass des Artikels – zum Schluss) Das von Schädlingen befallene Holz muss saniert werden. Während der „kopflosen“ Zeit, erhält die Mühle ein provisorisches Dach. Für die Kappensanierung in Eigenregie veranschlagt Jan Lange etwa fünf Jahre. In Panik verfällt er deswegen nicht: „Es geht in kleinen Schritten in die richtige Richtung.“ (Ein Paar wie im wirklichen Leben? Nach sechs Zitaten von Cathrin Eßbach folgt hier der erste Satz von Jan Lange. Er bestätigt indirekt das Sklaven-Zitat oben.) Und das ist garantiert kein Zufall. (Das Leitmotiv zum Vierten, und zurück zum Anfang)
Infobox
Mühle 1887 erbaut – Flügel gestutzt
Seit 1584 ist der Platz, an dem die Holler Windmühle steht, als Mühlenstandort bekannt. Die Windmühle wurde 1887 in Köterende, wo sie als Wasserschöpfmühle zur Polderentwässerung genutzt wurde, abgebaut und nach Holle versetzt. In Holle war sie als Kornmühle in Betrieb und galt mit ihren 18 Meter langen Flügeln als Wahrzeichen des Ortes.
1950 wurde die Mühle stillgelegt. Das Bild zeigt den Zustand Anfang der 60er Jahre.
1977 kaufte der Oldenburger Horst Ribken die Mühle. Er erweiterte das Mühlengebäude 1978 um einen Anbau und baute die beiden unteren Geschosse zu Wohnräumen um. Die Flügel mussten Anfang der 80er Jahre auf Geheiß des Denkmalschutzes demontiert werden. 1986 ließ er die Galerie neu installieren. 1989 zog er nach Hessen und vermietete die Räumlichkeiten. Die Holler Mühle ist Teil der Niedersächsischen Mühlenstraße.
Wir danken Stephan Onnen und der Nordwest-Zeitung für das kostenfreie Überlassen der Rechte.
Die kursivierten Kommentare stammen von Marie Lampert, die den Werkraum Storytelling der ABZV betreut.
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Stephan Onnen, Jahrgang 1968, hat nach dem Abitur und der Ausbildung zum Verlagskaufmann bei der Oldenburger Nordwest-Zeitung volontiert und wurde 1992 als Redakteur übernommen. In der Lokalredaktion Hude ist er heute weitgehend sein eigener Chef, am zweiten Schreibtisch sitzt eine Volontärin oder ein Volontär. |
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